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Christina Nefzger

Einsamkeit oder Heimweh traten nicht auf – im Gegenteil, ich verfolgte mit Schrecken, wie schnell die Monate vergingen. Besonders im Frühling, bewegte sich meine Stimmung im extrem positiven Bereich, sodass das Jahr in Baku vor allem eins war: zu schnell vorbei.

Baku ist die Hauptstadt von Aserbaidschan. Man kann sich dort auf Russisch verständigen. Baku liegt am Meer, und auf den google-Fotos sieht es hübsch aus.

Auf diese wenigen Informationen beschränkte sich mein Wissen, als ich mich um die DAAD-Sprachassistenz an der Slawistischen Universität Baku bewarb. Das mag naiv gewesen sein und von etwas übereilter Spontanität. Eine fabelhafte Entscheidung war es trotzdem.  

Ich hatte gerade mein DaF-Studium in München abgeschlossen, und so sehr ich die Uni geliebt hatte – ich wollte raus und Neues ausprobieren und erleben. Aserbaidschan als ein Land fern der gängigen Reiseziele erschien mir gerade richtig, ein weißer Fleck auf der Landkarte, den es zu füllen galt.

Bis zum Auswahlgespräch konsumierte ich einige Bücher, um mein fehlendes Vorwissen zu kompensieren. Ich las von den Kriegsepisoden zu Beginn der Unabhängigkeit und vom Bulvar in der Sommerhitze in Grjasnowas „Der Russe ist einer, der Birken liebt“, erfuhr trotz der ansonsten fraglichen literarischen Qualität in Ingo Petz „Kuckucksuhren in Baku“ von Lahiç und anderen entlegenen Bergdörfern und in Grumppenbergs „Der Kaukasus“ von all den Völkern und Sprachen der Region. Zum ersten Mal hatte ich überhaupt ein Bild vor Augen, aber eine wirkliche Vorstellung von diesem kleinen und doch so vielseitigen Land hatte ich auch dann noch nicht, als ich in einer schönen Augustnacht dort landete und noch an Bord des Flugzeuges von zahlreichen Aserbaidschanern sehr herzlich willkommen geheißen wurde, vielleicht, weil ich gar so fasziniert aus dem Flugzeugfenster starrte.

Das änderte sich schnell, so schnell, dass sich die ersten beiden Wochen anfühlten wie eine Ewigkeit. Erkenntnisse: Baku sieht nicht nur auf Fotos schön ist, es ist richtig schön! Dafür war es mir auf den ersten Blick gänzlich unmöglich, einen Supermarkt zu finden, weshalb meine Ernährung trotz all der angepriesenen aserbaidschanischen Spezialitäten zunächst eher wenig erfreulich war. Busse, in die ich stieg, schienen ständig ihre Routen zu ändern oder ihre Fahrten aufgrund der undurchdringbaren Automassen im Feierabendverkehr vorzeitig abzubrechen. Die Zahl der zu erledigen Formalitäten war zudem hoch. Treffen mit dem Vermieter, Registrierung, medizinischer Test, Besuche des International Office zur Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung… die formalen Prozesse erschienen mir langwierig und waren oft nur schwer zu durchblicken, Dokumente gingen verloren, tauchten wieder auf, blieben verschwunden. Aber wie so oft bei meinen Versuchen der aserbaidschanischen Alltagsbewältigung: Irgendwie regelte sich dann doch alles.

Dazwischen lernte ich die beiden Universitäten kennen, an denen ich unterrichten würde: neben der Slawistischen Universität auch die Aserbaidschanische Sprachenuniversität. Ich erfuhr von den Kursen, die ich dort geben würde: Deutsche Literaturgeschichte, Landeskunde, Hören und Sprechen. Ich war voller Spannung darauf – den Unterricht zu beginnen stellte sich jedoch als schwieriger heraus. Vor Semesterbeginn erstellte Stundenpläne sind, wie ich schnell lernte, eher als Entwurf zu betrachten. Der wahre Stundenplan ist Ergebnis intensiver Verhandlungen in den ersten Wochen. Nach einigen Fehlversuchen stand ich aber schließlich doch vor Studierenden –  es waren zwar andere als ursprünglich geplant, wir befanden uns in einem anderen Gebäude als vorgesehen und die Unterrichtszeiten hatten mit den anfangs vereinbarten nichts gemein, aber die Studierenden sahen mich erwartungsvoll an und ließen sich leicht verwirrt, aber mit Einsatz auf meine ersten Unterrichtsversuche ein.

Die Erfahrungen dieser ersten zwei Wochen stellten sich als repräsentativ für die weitere Zeit an den Universitäten heraus. Die Studierenden wählen in Aserbaidschan meist nicht selbst ihre Kurse, sondern durchlaufen in den immer selben Kleingruppen ein festgelegtes Curriculum. Auch die Wahl des Studienfaches verläuft nicht zwangsläufig aus reinem Interesse heraus – wer ein niedriges Ergebnis im landesweit einheitlichen Schulabschlusstest erzielt, wird einem Studiengang wie Germanistik manchmal einfach zugeteilt. Infolgedessen finden sich in den Kursen oft Studierende mit B2-Niveau voll wahrer Begeisterung für die deutsche Sprache neben solchen, deren Motivation für ein Germanistikstudium sich nicht ergründen lässt und die nur über rudimentäre Sprachkenntnisse verfügen. Ich stand plötzlich vor der Herausforderung, sehr heterogenen Studierendengruppen gerecht werden und stets abwechslungsreichen Unterricht halten zu wollen, gleichzeitig aber auch den formellen Vorgaben der Universitäten entsprechen zu müssen. Fleißig führte ich das Klassenbuch in der richtigen Kugelschreiberfarbe, überwachte akribisch Hausaufgaben und Anwesenheit und versuchte stets, sämtliche Termine einzuhalten – was von Zeit zu Zeit nicht so einfach war, denn diese Termine müssen schließlich erst einmal in Erfahrung gebracht werden! Der allergrößte Teil der Studierenden aber unterstützte mich nicht nur tatkräftig bei den Formalitäten, sondern ließ sich bereitwillig auf all meine Ideen ein und ertrug willig meine manchmal von der üblichen Form abweichenden Aufgabenstellungen und Prüfungen. Durch die kleinen Gruppen lernte ich viele der Studierenden gut kennen und schloss sie richtiggehend ins Herz.  Besonders an der Slawistischen Universität liegt zudem das Lehrerzimmer gleich neben den Unterrichtsräumen, was dazu führte, dass ich allzeit mit Tee und Keksen versorgt wurde und mir die anderen, ausgesprochen netten Lehrkräfte geduldig bei allem zur Seite standen.

Eine perfekte Ergänzung zur Arbeit an den Universitäten stellte mein Arbeitsplatz im DAAD-Informationszentrum dar. Gleich zu Beginn wurde ich von der IC-Leiterin sowie den beiden Ortskräften sehr herzlich aufgenommen und ins Team integriert. Ich fühlte mich dort so wohl, dass ich fast jeden Tag zumindest einige Stunden dort verbrachte, um meinen Unterricht vorzubereiten oder mich an IC-Aktivitäten zu beteiligen. Das bot die Möglichkeit, einen spannenden Einblick in die Arbeit des DAAD in Aserbaidschan zu erhalten, neben dem Unterricht noch andere Tätigkeiten auszuprobieren, von den Ortskräften wertvolle Informationen für das Leben im mir manchmal unverständlich erscheinenden Aserbaidschan einzuholen und in guter Gesellschaft Kaffee zu trinken.

An den Abenden, besonders aber auch an den Wochenenden blieb natürlich genügend Zeit für allerhand Aktivitäten. Über die Universitäten und die Ortskräfte des DAAD lernte ich recht schnell viele nette junge Aserbaidschaner kennen, die mir die Stadt zeigten, die Sprache mit mir übten und mit denen ich viel AzerCay genoss. Baku ist keine Stadt des vielseitigen Nachtlebens, aber es gibt allerhand nette Lokalitäten, Kinos und Museen, sodass Langeweile nicht befürchtet werden muss. Einsamkeit oder Heimweh traten glücklicherweise nicht auf – im Gegenteil, ich verfolgte mit Schrecken, wie schnell die Monate vergingen. Besonders im Frühling, als die Temperaturen stiegen, plötzlich abendliche Ausflüge an den Strand und an den Wochenenden sogar Trips in die Berge möglich waren, bewegte sich meine Stimmung im extrem positiven Bereich, sodass das Jahr in Baku vor allem eins war: zu schnell vorbei.

Natürlich bin ich mit der Erwartung nach Aserbaidschan gekommen, ein spannendes Jahr zu verbringen und etwas dazuzulernen. Nicht erwarte hätte ich aber, dass in dieser Zeit so viele wertvolle Kontakte entstehen, ich das Land so sehr ins Herz schließen und ich beruflich und persönlich so viele neue Erkenntnisse gewinnen würde. Auch jetzt, zwei Jahre später, fühlt sich jeder Besuch in Baku noch ein bisschen an wie nach Hause kommen.

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Screenshot der Landkarte mit Markierung des DAAD-Standorts